Stellungnahme von G9 jetzt! BW vom 27.02.2024

zum Bildungsgipfel am 23.02.2024


G9 – leider immer noch im Reich der Märchen!

Die Gespräche des „Bildungsgipfels“ fanden in prunkvollen historischen Räumen im Licht edler Kristalllüster statt. Diese festliche Atmosphäre steigerte noch die große Spannung, mit der erste Ergebnisse erwartet wurden: Scheinbar zufrieden und gutgelaunt gaben die befragten Teilnehmer belanglose Interviews. Demnach hatte man wohl erfolgreich „begonnen, den Gesprächsprozess zu starten“ wie Andreas Stoch in einem Video mitteilte. So erfolgreich, dass man sich um Ostern doch tatsächlich ein zweites Mal treffen möchte.

Aha!? Natürlich konnte man nicht erwarten, dass ein einziger Termin ausreichen würde, konkrete Entscheidungen zu treffen und die sehr lange Geschichte über G9 zu einem Happy End zu führen. Selbstverständlich muss man akzeptieren, dass alle Beteiligten sich an die verabredete Vertraulichkeit des Austauschs halten. Doch nach dem Bekenntnis zu G9 der Kultusministerin im Vorfeld hatten sich die Unterzeichner des Volksantrags, viele Eltern, Schüler und Lehrkräfte deutlich mehr erhofft.

Ob jemand gerne handeln würde – ihm aber der Rückhalt in der eigenen Fraktion fehlt? Ob der konkrete G9-Entwurf der Koalition, so es diesen gibt, der Opposition inakzeptabel erscheint? Oder ob alle irgendwelche weiteren, vermutlich widerstrebenden Bedingungen an die Wiedereinführung des G9 knüpfen? Das wird man als Bürger und Wähler nicht erfahren. Klar ist nur eines: Dieses parteipolitische Taktieren könnte viel wertvolle Zeit kosten, und bringt möglicherweise weitere Jahrgänge von Gymnasiasten um die dringend notwendige und sehnlichst erwartete Lernzeitverlängerung.

Was braucht es eigentlich noch, um endlich zu handeln? Knapp 107 000 Wähler sprachen sich beim Volksantrag für den Gesetzentwurf aus, 55 Zufallsbürger des Bürgerforums kamen im Großen und Ganzen zum gleichen Ergebnis, alle drei am Gymnasium beteiligten Gruppen (Schüler, Eltern, Lehrkräfte) ziehen am selben Strang, die Direktorenvereinigung stimmt mehrheitlich für das neunjährige Gymnasium. Alle anderen Flächenländer im Westen kehrten um zu G9 – konnten sich das leisten und hatten keine Probleme mit einer übergroßen „Sogwirkung“ der neunjährigen Gymnasien zu Lasten anderer Schularten.

Dennoch dreht sich die Politik in the Länd im Kreis – und um sich selbst, fängt anscheinend wieder ganz von vorne an mit einer grundsätzlichen Themensammlung. Möglicherweise feilen die Fraktionen mit Blick auf die nächste Wahl sogar schon an ihrem Profil.

Das ist sehr enttäuschend, fast schon fahrlässig in der aktuell sich zuspitzenden politischen Situation, die zu Recht Gegenstand vieler besorgter Diskussionen in Plenarsälen, auf Podien sowie in Talkshows ist und die Menschen auf die Straße treibt. Denn was könnte demokratischer sein, als seine Kritik an der Arbeit der politischen Repräsentanten ganz sachlich zu äußern, einen Gesetzentwurf als mögliche Lösung aufzusetzen und sich als Eltern und Bürger zahllose Stunden und Tage auf der Straße ehrenamtlich beim Sammeln von Unterschriften zu engagieren? – selbstverständlich mit Genehmigung des Ordnungsamtes! Der erfolgreiche Volksantrag sollte eine Steilvorlage sein für die Landesregierung, dieses Vorgehen zu honorieren, indem sie dem Thema im Rahmen der gesetzlichen Fristen Priorität einräumt – sozusagen als praktizierte „Maßnahme zur Demokratieförderung“. Alle anderen fraglos wichtigen Punkte könnten im zweiten Schritt behandelt werden.

Stattdessen leitete der Erfolg der Elterninitiative eine grundsätzliche Bildungsdiskussion ein und ihre sehr klare und konkrete Forderung wird – begründet mit der Notwendigkeit eines prinzipiell sinnvollen fraktionsübergreifenden Konsens – in eine riesige, undurchsichtig wabernde Wolke gehüllt: Neben der bereits gesetzten, dringend notwendigen Reform von Grundschule und frühkindlicher Bildung platzieren Politiker und Lobbyisten eifrig ihre großen und kleinen Wünsche auf der Agenda.

G9 jetzt! BW appelliert an die Fraktionsvorsitzenden und die Landesregierung, die sehr konkrete Forderung des Volksantrags sowie die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im Fokus zu behalten und sich der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst zu sein. ES DARF KEIN POLITISCHES TAKTIEREN AUF DEM RÜCKEN DER SCHÜLER GEBEN!

Die Initiative hofft, dass man sich beim nächsten Termin um Ostern – unter dem positiven spirituellen Einfluss der klösterlichen Umgebung – auf ein akzeptables G9-Konzept zum nächstmöglichen Termin einigt und dabei auch die laufenden Coronajahrgänge beteiligt. Zahlreiche Schulleiter halten die Umsetzung selbst noch zum kommenden Schuljahr 24/25 für möglich – der Bildungsplan der G9-Modellschulen liegt als Provisorium griffbereit in der Schublade.

Gemäß den gesetzlichen Fristen für einen Volksantrag, muss der Landtag bis Ende April über den Gesetzentwurf abstimmen. Bei einer Ablehnung können die Initiatorinnen innerhalb von drei Monaten ein Volksbegehren initiieren – und würden damit erneut einen in Baden-Württemberg nie zuvor beschrittenen Weg einschlagen. Im Moment wird dieser Schritt wahrscheinlicher.