Stellungnahme von G9 jetzt! BW vom 21.01.2024


Konzepte statt Reflexe!

Die Verschnaufpause war dringend nötig für die Initiatorinnen und Aktiven von G9 jetzt! BW nach einem erfolgreichen – aber auch sehr anstrengenden – letzten Jahr.

Seit zwei Wochen läuft der politische Alltag wieder:
Einiges konnte man lesen in der Zeit zwischen den Jahren über Frau Schoppers schwierige Aufgabe, über arbeitsintensive Tage im Kultusministerium, über einen geplanten „Bildungspakt“, der die nächsten Wahlen überdauern soll.
Läuft im Neuen Jahr! – so könnte man denken.
Leider nicht, denn anstatt sich schnellstmöglich mit der konkreten G9-Forderung des Volksantrags zu befassen, lädt Frau Schopper die bildungspolitischen Sprecher der Fraktionen zunächst mit viel Trara ein, sich gemeinschaftlich über ein umfassendes Bildungskonzept auszutauschen, bei welchem die frühkindliche Bildung und die Grundschulen als unumstößliche Priorität gesetzt und „Schnellschüsse“ unbedingt zu verhindern sind. Übrigens wurde der Punkt „neue Impulse für mehr Bildungserfolg“ für die Grundschulen bereits 2021 in den Koalitionsvertrag geschrieben – sollte vielleicht auch hier ein „Schnellschuss“ verhindert werden?
Naive Menschen (so auch die Initiatorinnen) gehen davon aus, dass solch ein Austausch im bildungspolitischen Alltag sowieso regelmäßig erfolgt, anscheinend aber nicht. Dafür brauchte es – 15 Monate nachdem die Ankündigung des G9-Volksantrags auf dem Schreibtisch des Landtags landete und nach erfolgreicher einjähriger Sammlung einer sechsstelligen Zahl (106 950) von Unterschriften – erst wohl noch den endgültigen Anstoß durch die Empfehlung von 55 Zufallsbürgern des Bürgerforums. Entsprechend wartet und verweist man immer noch auf die Langversion der Ergebnisse dieser dialogischen Bürgerbeteiligung, deren Sprecher am 18.01.2024 in der Sitzung des Bildungsausschusses gehört wurden.

Auch 2024 werden die G9-Befürworter mit den gleichen reflexhaft geäußerten Gegenargumenten bedacht – zu wenig Lehrer, zu wenig Klassenzimmer, schlimme Folgen für die anderen Schularten… In Einzelfällen attackiert sogar die vierte Macht im Staat auf irritierend ideologische und polarisierende Art: Unlängst unterstellte Reiner Ruf in der Stuttgarter Zeitung den G9-Befürwortern wieder einmal, „…Kinder aus Migrantenfamilien und sozial prekären Milieus…“ fernhalten zu wollen. Dabei unterstützt das G9 durch mehr schulische Lernzeit und zusätzlich durch die Möglichkeit, an Unterstützungsangeboten oder AGs am Nachmittag teilzunehmen, gerade Kinder aus diesen Familien dabei, die Hochschulreife am allgemeinbildenden Gymnasium zu erlangen.
Ähnlich einem (Eigen-)Reflex, dessen Verschaltung unter Aussparung des Gehirns lediglich auf Rückenmarksebene erfolgt, sind diese stereotypen und schlichten Reaktionen nicht nur inadäquat, sondern auch wenig hilfreich.
G9 jetzt! BW könnte auch hierauf Antworten geben.

Die Initiative möchte als Vertreterin der Bürger einbezogen werden in die Beratungen zu Umsetzung und Konzept des zukünftigen G9. Sie akzeptiert es nicht, als „Anschieber“ der breiten Diskussion nun in den Hintergrund zu treten.
Die Forderung des Volksantrags – getragen von knapp 107 000 Unterstützern – ist sehr konkret und morgen umsetzbar.
Leider muss befürchtet werden, dass die Landesregierung hier auf Verwässerung und Verzögerung setzt, indem sie Arbeitskreise gründet, die Bildung im Ganzen reformieren und sämtliche „Kollateralschäden“ der Gymnasialverlängerung unter Einbeziehen aller Lobbyisten genauestens berücksichtigen möchte – dabei könnte man von den anderen Bundesländern lernen, dass die Umstellung auf G9 keine verheerenden Auswirkungen auf andere Schularten nach sich zieht.
Besonders schlimm dabei: Wieder – oder immer noch? – spielen die Belange der Kinder und Jugendlichen am Gymnasium (45 Prozent aller Schüler an weiterführenden Schulen!) überhaupt keine Rolle. Und weiterhin werden die Schularten gegeneinander ausgespielt. Zweifellos muss zusätzlich in die Grundschulen investiert werden. Das sollten dem wohlhabenden Baden-Württemberg seine Schüler und damit seine Zukunftsfähigkeit sowie sein Wohlstand wert sein!

Die Initiatorinnen des Volksantrags beobachten das politische Geschehen sehr genau und zunehmend ungeduldig: „Wir lassen nicht locker, bis ein akzeptables G9 beschlossen wurde und ein ebenso akzeptabler Zeitpunkt der Einführung feststeht.“
Es ist höchste Zeit, sich endlich konstruktiv mit allen am Gymnasium Beteiligten abzustimmen und eine Lösung zu finden – ohne reflexhafte Kurzschlussreaktionen, aber auch ohne allzu „lange Leitung“!
Andernfalls bliebe den Aktiven nichts anderes übrig, als die nächste Stufe der direktdemokratischen Kaskade zu zünden und ein Volksbegehren zu initiieren.