Die morgendlichen Schlagzeilen verhießen gestern eigentlich einen Grund zum Feiern. „Baden-Württemberg will zu G9 zurückkehren“, so präparierte es die Presse irgendwie heraus aus dem Wort „Prozess“ und den insgesamt unscharfen, dabei lind besänftigenden Äußerungen der Landesregierung zu den Empfehlungen der Zufallsbürger. Denn auch im Bürgerforum war man sich einig gewesen, dass Zeit bei der Bildung eine wichtige Rolle spielt für das Lernen und für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung. Hatten die am Montag veröffentlichten Ergebnisse tatsächlich den Anstoß gegeben, jetzt endlich die dringend nötige Korrektur des G8 vorzunehmen?
Leider nein! Bereits gegen 13 Uhr konnte man die Sektflasche ernüchtert wieder in den Keller bringen: Immer noch scheinen dicke ABER den Weg für das G9 zu versperren. Die hohen Kosten werden erneut als unverrückbares Gegenargument angeführt, wie auch die unstrittig nötigen Mittel für Grundschulen und frühkindliche Bildung, die weiterhin unbedingt priorisiert werden sollen. Was ist also anders als noch vor drei Tagen? Ministerpräsident Kretschmann reagiert nun voll des Lobes auf sein „eigenes“ dialogisches Bürgerverfahren, behält also weiterhin das Heft des Handelns in der Hand. Und es kommen die Anregungen – der Wunschzettel sozusagen – der Zufallsbürger hinzu, mit welchen sich die Politik genau befassen möchte. Das könnte dauern….!
Demgegenüber ist die Forderung der Elterninitiative – ausgestaltet und durchgerechnet in einem 11-seitigen Gesetzentwurf – sehr konkret. Stellvertretend für über 100 000 Unterzeichner und zahlreiche Aktive, die monatelang aufopferungsvoll ihre Mitmenschen informierten, Woche um Woche Unterschriften sammelten, mit der Bürokratie kämpften, Formblätter austauschten und auf eigene Kosten verschickten, drängt die Elterninitiative G9 jetzt! BW – ihrem Namen gemäß – auf ein fristgerechtes, zügiges Umsetzen des G9. Die jetzigen Gymnasiasten, die unter dem enormen Druck leiden und zudem „Corona“ im Gepäck haben, brauchen umgehend die zusätzliche Lernzeit. Hierfür könnten die G9-Bildungspläne der G9-Modellschulen aus der Schublade geholt und sofort eingesetzt werden – bis innerhalb von zwei Jahren zeitgemäß reformierte, nachhaltige Pläne für ein modernes G9-Gymnasium erarbeitet wären. Zeitgleich könnte man sich intensiv um die Grundschulen kümmern.
Und die Kosten? Um ein Gefühl für die Summe zu bekommen, sollte man sich Stuttgart 21 anschauen, das Herrn Kretschmann bereits zum Beginn seiner Amtszeit in ein Handeln gegen seine jahrelange Überzeugung zwang: Die Kosten für diesen Bahnhof – mit seiner weltweit einzigartigen Dachkonstruktion – haben sich mittlerweile mehr als vervierfacht. Mit der aktuell prognostizierten Endsumme könnte man unseren Gymnasiasten etwa 100 Jahre lang das G9 finanzieren. Hierzu sagte eine weise alte Dame unlängst: Warum steckt man so viel Geld in totes Material und nicht in lebendige Kinder, die unsere Zukunft sind?
Jetzt wird sich zeigen, wieviel der Landesregierung die Bildung unserer Kinder wirklich wert ist. Auch die Zufallsbürger sprechen sich einstimmig dafür aus, diese wichtige Investition in die Bildung zu tätigen. Sie verweisen darauf, dass auch die Experten die Finanzierung für stemmbar halten – falls die Politik denn möchte. Es wäre so viel mehr als eine noble Geste, wenn Ministerpräsident Kretschmann auch zum Ende seiner Amtszeit mit einer durch den Bürgerwillen motivierten Entscheidungsänderung sein Schaffenswerk einrahmen würde – ohne die weiteren Strapazen eines Volksbegehrens für Bürger und Ämter!
Die Initiative steht jedenfalls für Gespräche zur Verfügung – nach fast 7 Jahren Beschäftigung mit dem Thema können auch die beiden Initiatorinnen Ideen und Anregungen zu einem neuen G9-Gymnasium beitragen, die über den zwangsläufig dem Verfahren eigenen binären Charakter (hopp oder top) des Volksantrags und die vom Landtag lediglich mit gerümpfter Nase angenommene halbe Tonne Papier hinausgehen.
Anja Plesch-Krubner für G9 jetzt! BW
Heidelberg, 13.12.2023