Zur Klage gegen die Ablehnung des Antrags auf ein Volksbegehren
Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf ein Volksbegehren: Elterninitiative bemängelt Zeitspiel der Regierung
Als Vertreter der Elterninitiative G9 jetzt! BW informieren wir Sie hiermit, dass wir am 5.8.2024 Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf ein Volksbegehren beim Landesverfassungsgericht eingereicht haben.
Ganze 25 Seiten umfasst der Ablehnungsbescheid zum Volksbegehren. Den Antragstellern fehle die formelle Legitimation, der Begriff „Deputat“ hätte die Bürger im Unklaren über die finanziellen Folgen gelassen und im Übrigen sei alles ohnehin nach genauer Berechnung zu teuer, so der Ablehnungsbescheid des Innenministeriums. Das alles wurde vorgebracht, nachdem der identische Gesetzentwurf des mit über 100.000 Stimmen erfolgreichen Volksantrags vom Landtag bereits zugelassen wurde.
Dass die vom Innenministerium in der Ablehnungsschrift genannten Gründe aus Sicht von G9 jetzt! BW nicht haltbar sind, war ziemlich schnell klar. Gegen jeden einzelnen Ablehnungsgrund gibt es berechtigte Gegenargumente, welche die Initiative dem Landesverfassungsgericht dargelegt hat.
Aus unserer Sicht hat das Innenministerium mit der materiellen Prüfung des Volksbegehrens seine Kompetenzen überschritten, da das Volksabstimmungsgesetz bei Beantragung eines Volksbegehrens basierend auf einem Volksantrag mit Gesetzesentwurf nur eine formale Prüfung, aber keine inhaltliche Prüfung vorsieht. Die inhaltliche Prüfung ist laut Gesetz die Aufgabe des Landtags und war bereits bei der Zulassung des Volksantrags durch den Landtag erfolgt.
Weiterhin überschätzt das Innenministerium die durch die Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 entstehenden neuen Klassen massiv und kommt somit zu einer deutlich zu hohen Kostenschätzung. Die Berechnungen der Initiative kommen hier zu einer wesentlich anderen Einschätzung.
Wie ernst ist es der Regierung mit dem Thema Basisdemokratie?
„Die Anforderungen, die hier an die antragstellende Elterninitiative und damit an die Bürger gestellt werden, sind gewaltig und kaum leistbar“, so Christan Andorfer, der als Vertrauensperson auch juristischen Beistand leistet.
Es stellt sich ernsthaft die Frage, ob Basisdemokratie vom Land Baden-Württemberg in letzter Konsequenz gewollt ist. Denn nun, wo es mit einem bindenden Volksbegehren „ernst“ für die Landesregierung wird, hagelt es Gründe für die Ablehnung. Es gab noch keinen einzigen Volksantrag, der angenommen wurde. Dies an sich wäre nicht weiter schlimm – doch könnte die Landesregierung in einem konstruktiven Dialog durchaus Kompromisse abweichend vom Gesetzentwurf finden. Dieses Vorgehen vermisst die Elterninitiative bis heute und fordert genau das weiterhin. „Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass die Politik nicht mehr die Interessen der Bürger vertritt, sondern hauptsächlich eigene parteipolitische Zielsetzungen verfolgt, die wenig mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung zu tun haben.”, äußert sich Frau Dr. Raschke besorgt.
Schlechte Ergebnisse bei „Lernstand 5“ ohne Konsequenz für die betroffenen Jahrgänge
Dass es auch am Gymnasium immer noch dramatische Lernlücken gibt, haben eindrucksvoll die zuletzt durch das Landesinstitut für Bildungsanalysen (IBBW) veröffentlichten Ergebnisse der Vergleichsarbeiten “Lernstand 5“ gezeigt: So haben beispielsweise in der 5. Klasse vier von zehn Gymnasiasten besonderen Förderbedarf beim schriftlichen Dividieren – nicht verwunderlich, denn dies ist Stoff der Grundschulzeit, der häufig in die Zeit der Schulschließungen fiel. Die Zahl 40% liegt damit auch deutlich über der Zahl der Schüler, die mit einer nicht-gymnasialen Empfehlung auf dem Gymnasium sind, was oft als Ursache für die Probleme im G8 angesehen wird (IBBW_Lernstand 5 – 2023 in Baden-Württemberg (ibbw-bw.de) ).
“Es wäre wirklich ein großer Wurf der Landesregierung, wenn sie aus diesen Ergebnissen auch direkte Maßnahmen ableiten würde. Das Schulgesetz ist gerade ohnehin in der Überarbeitungsrunde. Es wäre ganz einfach, wenigstens noch die Klassen 6, 7 und 8 – bezogen auf das Schuljahr 24/25 – mit einer linearen zeitlichen Streckung zu bedenken: Derselbe Stoff wie im G8, aber um ein Jahr gestreckt. Doch stattdessen lässt man die Kinder im vollgestopften G8 sitzen und bietet nur noch weitere Lernstunden in Form von “Lernen mit Rückenwind” an. Wie die Kinder das zeitlich schaffen sollen, bleibt uns Eltern ein Rätsel“, führt Raschke weiter aus. Ironischerweise werden diese Probleme von der Politik sogar erkannt, um sie dann für die nachfolgenden Jahrgänge zu beheben – für die jetzigen Grundschulkinder sollen die Basiskompetenzen im neuen G9 gestärkt werden. “Aber was hilft diese Maßnahme den Kindern in den aktuell laufenden Klassen?”, fragt sich auch Ralf Kittel.
Kreative Lösung erwünscht
Dabei wäre die Lösung doch relativ einfach: Die über 100.000 Bürger, die den Volksantrag unterschrieben haben, wollten neben der Einführung des „neuen G9“ auch für laufende Klassen eine Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 (G9 dabei in einer zeitlich gestreckten Form von G8 auf Grundlage der G9-Modellschulen). Das neue G9 kommt voraussichtlich 2025/26 in noch nicht genau bestimmter Form, die Mitnahme der laufenden Klassen fehlt komplett im neuen Schulgesetzentwurf.
An der Wahlfreiheit der laufenden Klassen entzünden sich auch die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Kultusministerium und Elterninitiative. Dabei gäbe es einige einfache Steuerungselemente, die eingefügt werden könnten, um den Ressourcenbedarf, sowohl was Lehrerstunden als auch finanzielle Mittel betrifft, gering zu halten. Genauso müsste die Bildung neuer Klassen bei ungünstigem Wahlverhalten zwischen G8 und G9 minimiert werden. Eine weitere Möglichkeit, den Ressourcenbedarf zu minimieren – die im neuen Schulgesetz ebenfalls genutzt wurde und zuvor vom Philologenverband vorgeschlagen worden war – ist die Umwandlung von Poolstunden. Sicherlich ließen sich weitere Möglichkeiten finden, die sowohl das Kultusministerium als auch die Schüler und Eltern zufrieden stellen würden. Ein Kompromiss liegt immer zwischen Schwarz und Weiß.
Zeitspiel der Regierung? Verlierer sind die verbleibenden G8-Jahrgänge
Eigentlich gab es schon seit Beginn dieser Amtszeit eine breite parlamentarische Mehrheit für das Thema G9. Doch leider wurde der G9-Volksantrag trotzdem nur mit einem Minimal-Kompromiss angenommen. Es scheint so, dass die Landesregierung auf Zeit spielt: Ab 2025/26 aufwachsend kommt das neue G9. Mit jedem Jahr, das vergeht, rutschen weitere G8-Jahrgänge in die Oberstufe oder gehen vom G8-Gymnasium ab. Die Zeit läuft ganz klar gegen diese Schüler. Im September beginnt nun wieder ein neues Schuljahr ohne eine Lösung für die laufenden Klassen. Die große Frustration über die Politik, die diese „Corona-Jahrgänge“ komplett vergisst, könnte sich bei der nächsten Wahl bemerkbar machen. Und zwar sowohl bei den Eltern als auch bei den vielen Schülern, die dann schon wahlberechtigt sein werden.
“Wir warten nun gespannt auf die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts. Gleichzeitig werden wir uns weiter für die betroffenen Schüler engagieren, die nach ihren Corona-Schuljahren und der damit einhergehenden psychischen Belastung dringend eine zeitliche Entlastung brauchen. Wir lassen nicht locker”, so Mirjam Bohr-Wiens.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Leonberg, Heidelberg, Mannheim, Renningen, 06.08.2024
Dr.-Ing. Marita Raschke
Christian Andorfer
Ralf Kittel
Mirjam Bohr-Wiens
– Abdruck honorarfrei – Beleg erbeten –
Kontakt für Anfragen und weitere Informationen:
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