Erwiderung von G9 jetzt! BW auf dpa Meldung „Kretschmann rät dringend von Rückkehr zu neunjährigem Gymnasium ab“ vom 15.11.2022


“Flugrolle vorwärts zu einem neuen G9!”


Ein bisschen billig ist es schon, die Forderung nach Revidieren der gescheiterten G8-Reform am Gymnasium reflexhaft als rückwärtsgewandt zu bezeichnen.

Und es zeigt auch, dass sich leider nicht die Mühe gemacht – oder die Zeit genommen – wurde, die 11 Seiten des G9-Gesetzentwurfs mit Begründung einmal in Ruhe zu lesen.

Sonst wüsste Herr Kretschmann nämlich, dass hier nach dem eher provisorischen Einsetzen des aktuellen Bildungsplans der G9-Modellschulen – um die Schülerinnen und Schüler schnellstmöglich durch eine Verlängerung der Gymnasialzeit zu entlasten und ihnen zu ermöglichen, die Corona-Lücken zu schließen – die Anwendung eines zeitgemäß reformierten und qualitativ hochwertigen Bildungsplans am Gymnasium gefordert wird. Dieser nennt sich “Gymnasium plus”.

Neben der Verlängerung der Lernzeit bringt der Volksantrag von G9 jetzt! BW also auch eine Reform des Gymnasiums mit sich und könnte so zudem schaffen, was durch „Rückenwind” nur bei etwa 5% (Forsa-Studie) der Schüler ankommt.

Der Bildungsplan „Gymnasium plus“ würde unter anderem dem allgemeinen Ruf nach mehr Informatikunterricht gerecht werden. Oder auch der Notwendigkeit, den jungen Menschen, die ja nun bereits mit 16 Jahren wählen dürfen, eine bessere politische Bildung zu vermitteln.

Vor allen Dingen würde diese Umstellung jene Stunden in den MINT-Fächern zurückbringen, die – und das weiß kaum einer – der Gymnasialzeitverkürzung zum Opfer fielen: Stunden in Mathematik beispielsweise. Und wer immer noch glaubt, man könne auf diese weiterhin verzichten, schaue sich die gefüllten Hörsäle der Universitäten an. Hier wird in Vorkursen mühsam – und kostspielig – nachunterrichtet, was im Gymnasium weggestrichen oder zu oberflächlich gelernt wurde. Denn das gymnasiale Versprechen einer vertieften Allgemeinbildung litt massiv unter der G8-Reform. 

Wissenschaftliche Studien, die von der Landesregierung in Auftrag gegeben wurden, sollen angeblich etwas ganz anderes zeigen. Allerdings verfasste ein renommierter Bildungswissenschaftler auf unsere Bitte hin eine Expertise, in welcher er aus genau jenen Zahlen der Studie ganz andere Schlüsse zog.
Überhaupt liegt nach Meinung der Eltern die Beweislast hier bei der Politik: Was also sind die nachweislichen Vorteile dieses bildungspolitischen G8-Kurses in “the Länd“, der so eindeutig gegen die Mehrheitsmeinung der Eltern und die bildungspolitische Ausrichtung der meisten anderen Bundesländer eingeschlagen wird?

Auch die weiteren, in der gestrigen Pressemitteilung von unserem Ministerpräsidenten geäußerten Argumente sind wenig überzeugend und man kann darauf Folgendes erwidern:

Lebenslanges Lernen setzt bei “Hans“ eine grundsätzlich positive Einstellung zum Lernen voraus, diese im aktuellen G8-Gymnasium zu entwickeln, fällt vielen “Hänschen“ schwer.

Das G9 führt nach einer anfänglichen personellen Entlastung erst mittelfristig zu einem höheren Bedarf an Lehrkräften (etwa 1200), diese wurden unseren Kindern aus wenig nachvollziehbaren, nichtpädagogischen Gründen vor 18 Jahren weggenommen – mit den bekannten negativen Folgen.

Wir müssen davon wegkommen, das Geld für die Bildung unserer jungen Generation als “Kosten“ aufzufassen. Die richtige Bezeichnung wäre hier: “Investitionen“, gewinnbringend angelegt für die Zukunft unseres wohlhabenden Bundeslandes.

Möglicherweise muss der Kuchen eben schulartenübergreifend vergrößert werden und nicht unter Streit geteilt, so dass es für eine Behebung aller Mängel reicht.

Bewährtes erhalten zu wollen oder nach einer fehlgeschlagenen Reform zurückzufordern, bedeutet nicht zwangsläufig, den “Rückwärtsgang” einzulegen.

Und genau wie viele Tierarten, die Gletscher oder unser ganzer Planet mittlerweile leider in existenzieller Weise auf unseren bewahrenden Schutz angewiesen sind, sollte man auf die naturgegebenen Bedürfnisse unserer Kinder achten.

Ihre Entwicklung und ihr Lernen unterliegen physiologischen oder entwicklungspsychologischen Gesetzen, diese Prozesse lassen sich nicht einfach aus ideologischen Gründen beschleunigen – jedenfalls nicht folgenlos.

Aus diesen Gründen beteiligen sich Eltern und Lehrkräfte sowie ältere Schüler am Volksantrag für G9, und zwar zahlreich und sehr engagiert.

Die motivierte Forderung lautet: Nicht in einer Rückwärtsrolle zurück, sondern in einer Flugrolle vorwärts zum neuen G9 am Gymnasium plus!

Anja Plesch-Krubner und Corinna Fellner
für G9 jetzt! BW