Zur Ablehnung des Antrags auf Volksbegehren
Ablehnung des Antrags auf ein Volksbegehren:
Ein schwarzer Tag für über 100.000 Schüler
Als Vertreter der Elterninitiative G9 jetzt! BW möchten wir Sie informieren, dass wir heute durch ein Schreiben des Innenministeriums in Kenntnis gesetzt wurden, dass der Antrag auf ein Volksbegehren zum Gesetzentwurf G9-Gesetz abgelehnt wurde. „Die Anforderungen, die in 25 Seiten dargelegt wurden, stellen für das bürgerliche Engagement extrem hohe Hürden dar“, so Dr. Marita Raschke.
Forderungen des Gesetzentwurfs „G9-Gesetz“
Der Gesetzentwurf zum G9-Volksantrag fordert einerseits das neunjährige Gymnasium in Baden-Württemberg wieder flächendeckend einzuführen und andererseits den laufenden G8-Klassen eine Entlastung durch eine sofortige zeitliche Entzerrung zugutekommen zu lassen. Dass dies möglich ist, zeigen 43 G9-Modellgymnasien im Land: hier kann direkt auf jahrelange Erfahrung zurückgegriffen werden. Vor allem dieser zweite Aspekt des Gesetzentwurfs wurde und wird von einer breiten Basis an Unterstützern getragen. Es herrscht ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass das G8 im Vergleich zu den anderen Schularten durch die hohe Schulwochenstundenzahl zu übermäßigem und unnötigem Stress bei den Kindern und Jugendlichen führt.
Zusammenhang mit psychosozialen Folgen durch die Corona-Pandemie
Zusammen mit den Folgen, die durch die Corona-Maßnahmen verursacht worden sind, bestehen von der aktuellen Klasse 5 aufwärts bis in die Kursstufe hinein viele Probleme. Hierauf weist auch der Philologenverband in seiner aktuellen Pressemitteilung hin ).
Auch Prof. Dr. Julian Schmitz, Inhaber des Lehrstuhls für klinische Kinder- und Jugendpsychotherapie der Universität Leipzig und Leiter des „BiPsy-Monitors“ der Robert-Bosch-Stiftung, ist der Meinung, dass die „Kinder, die in der Pandemie aufgewachsen sind, […] eine reduzierte schulische Leistungsfähigkeit [haben]. Dem müssen wir gerecht werden, aber davon sind Schulen bis heute sehr weit entfernt. Der Leistungsdruck ist gerade für psychisch belastete Kinder ein großes Problem. Wir müssen ihn reduzieren.“ (Quelle: Psychologe: „Gewisse Milde mit dieser Generation wäre unsere Pflicht“ | WEB.DE)
Kultusministerium verweigert geeignete Maßnahmen
Unser Kultusministerium unter Führung von Bündnis90/Grüne verweigert sich jedoch nach wie vor einer zeitlichen Entlastung für die Schüler. Im letzten Gespräch zwischen Frau Schopper und der Initiative gab es diesbezüglich keinerlei Entgegenkommen. Es wurden lediglich weitere Schulpsychologen und noch mehr Lernstunden in Form des Lernprogramms „Lernen mit Rückenwind“ angeboten. Hier gehen die Bemühungen unserer Grün-Schwarzen Landespolitik leider am Bedarf der Schüler vorbei.
Warum ein Volksbegehren?
Nachdem viele der 106.950 Unterzeichner des Volksantrags gerade für diese Entlastung der aktuellen Schülergeneration, oftmals für die eigenen Kinder oder Enkelkinder, unterschrieben hatten, sahen wir es als unsere Pflicht an, nach der Ablehnung des Volksantrags das Volksbegehren zu beantragen. Es hätte die Möglichkeit eröffnet, basisdemokratisch durch eine erneute Unterschriftensammlung zu entscheiden, ob für die laufenden G8-Klassen noch eine zeitliche Entlastung gewünscht wird. Denn eine Rückfrage an die über 100.000 Unterzeichner zu stellen, ist schlichtweg unmöglich. So hätten die Familien der betroffenen Kinder und weitere Unterstützer durch das Volksbegehren eine Stimme bekommen.
Gründe für die Ablehnung – formelle Gründe
Die beiden ursprünglichen Initiatorinnen des G9-Volksantrags haben, wie bereits berichtet wurde, am 20. Juni die Initiative G9 jetzt! BW auf eigenen Wunsch verlassen und an ein neues Team übergeben. Mit ihrem Rückzug unterschrieben sie auch nicht den Antrag auf ein Volksbegehren.
Daher stellten die stellvertretenden Vertrauensleute, Frau Dr. Raschke und Herr Andorfer, den Antrag auf ein Volksbegehren beim Innenministerium des Landes Baden-Württemberg. Im Austausch mit dem Innenministerium wurde ausführlich dargelegt, warum nach Auffassung von unserer Initiative G9 jetzt! BW keine Bedenken gegen dieses Vorgehen bestehen. Es muss möglich sein, dass die Sache im Sinne der Unterzeichner des Volksantrags weitergeführt werden kann, wenn man das basisdemokratische Element des Volksantrags bzw. des Volksbegehrens ernst nimmt.
Gründe für die Ablehnung – inhaltliche Gründe
Die Initiative ist erstaunt über die inhaltliche Prüfung durch das Innenministerium und Kalkulation von Mehrkosten von über 375 Mio €. Die Ablehnung ist nicht nachvollziehbar, da nach §48 VAbStG das Innenministerium nur formelle Gründe und die Einhaltung der Frist zu entscheiden hat. Der Gesetzgeber hat dies in seiner Gesetzesbegründung zu §48 VAbStG noch einmal bestätigt. Für die inhaltliche Prüfung, wie auch die Verfassungsmäßigkeit, war der Landtag zuständig. Dieser hatte beim Volksantrag keine verfassungsmäßigen Bedenken. „Damit überschreitet das Innenministerium deutlich seine Kompetenzen“, mahnt Christian Andorfer.
In der Ablehnung des Volksbegehrens wird weiter begründet, dass die Annahme des Gesetzentwurfs Kosten verursachen würde, die 0,62% des Landeshaushaltes betragen. Dabei wurden jeweils die extremsten Szenarien zugrunde gelegt. Die Summe ergibt sich aus der Annahme, dass sich das Verhältnis von Schülern, die G8 bzw. G9 wählen, meist so ungünstig ergibt, dass neue Klassen gebildet werden müssen.
Der Behauptung des Innenministeriums, dass der Gesetzentwurf hier keine Steuerungsmöglichkeiten vorsieht, tritt die Initiative deutlich entgegen. Die Einrichtung von G8-Zügen ergibt sich aus dem Bedarf. Dieser wird per Rechtsverordnungen durch das Kultusministerium festgelegt und kann damit gesteuert werden.
Weiterhin wurde argumentiert, dass der Gesetzentwurf keine expliziten Kosten ausweist, sondern mit Deputats-Mehrbedarfen argumentiert. Für einen wahlberechtigten Bürger, sei laut Innenministerium ein Deputat kein verständlicher Begriff. Außerdem könne der normale Bürger die finanziellen Folgen seiner Unterschrift nicht absehen. „Interessant, dass es hier bei den Sammlungen für den Volksantrag in Bezug auf Deputate nie Verständnisprobleme gab“, wundert sich Ralf Kittel.
Entscheidung des Innenministeriums
Das Innenministerium hat sowohl die juristische Grauzone bezüglich einer Weiterführung des Volksbegehrens zu unseren Ungunsten und zu Lasten der betroffenen Kinder ausgelegt als auch bei der Berechnung der Kosten durch Hinweise des Kultusministeriums das jeweils ungünstigste Szenario berechnet. Dies ist ein schwarzer Tag für alle Schüler, die dringend eine Entlastung im G8 bräuchten. Seit Einreichung des Volksantrags sind bis jetzt neun Monate und damit weitere wertvolle Zeit für die Kinder und Jugendlichen verloren gegangen. Im September beginnt ein neues Schuljahr, jedoch ohne sinnvolle Maßnahmen für diese belasteten Kinder.
Wir kämpfen weiter
Die Ablehnung eröffnet jetzt die Möglichkeit, neben der Entlastung der Schüler im G8 weitere Themen in Abstimmung mit Verbänden und Vereinigungen aufzunehmen. Dies war mit der bestehenden Gesetzesvorlage nicht möglich. Außerdem kann dem Schreckensgespenst der extremen Berechnungen besser begegnet werden als bisher. Denn natürlich ist auch unsere Initiative an sinnvollen und ressourcenoptimalen Kompromissen interessiert. Damit werden wir weiterhin unsere Stimme erheben, um für eine bessere Bildungszukunft unserer Kinder im Land zu kämpfen. Gemeinsam mit den vielen Eltern, Lehrern und Unterstützern gilt es für eine sinnvolle und kindgerechte Bildungspolitik einzutreten. Die Kinder von Baden-Württemberg sind die Zukunft unseres Landes, und sie verdienen eine Schulzeit, die ihnen eine optimale Bildung, psychisches Wohlbefinden sowie Raum für ihre Entwicklung und Entfaltung gibt.
Ob weitere rechtliche Schritte unternommen werden, muss sorgfältig geprüft werden.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Leonberg, Heidelberg, Mannheim, Renningen, 22.07.2024
Dr.-Ing. Marita Raschke
Christian Andorfer
Ralf Kittel
Mirjam Bohr-Wiens
– Abdruck honorarfrei – Beleg erbeten –
Kontakt für Anfragen und weitere Informationen:
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