Zur G8/G9-Debatte und Abstimmung am 17.04.2024 über den Gesetzentwurf G9-Gesetz
G9 – so nah und doch so fern?
Es war ein großer Tag für die direkte Demokratie und natürlich auch für G9 jetzt! BW – vertreten durch uns Initiatorinnen, mit großem Interesse und unterstützend begleitet von Vertretern der Schüler, der Schulleitungen, der Lehrer und vielen Aktiven. Sowohl vor Ort auf der Tribüne als auch an den Bildschirmen durften wir alle erleben, dass im Hohen Haus die Legislative des Landes über unsere Forderung, den von „unten“ aus der Bürgerschaft per Volksantrag eingebrachten Gesetzentwurf für ein neues G9, abstimmte – über jene elf Seiten, die als abgegriffene Kopien im vergangenen Jahr durch viele Tausend Hände gegangen waren.
Der Gesetzentwurf wurde – wie es nach der nüchternen Beschlussempfehlung aus dem Bildungsausschuss nicht anders zu erwarten war – von der Koalition und damit mehrheitlich abgelehnt.
Und trotzdem soll G9 kommen: ab dem Schuljahr 25/26, aufwachsend ab Klasse 5 – vielleicht auch Klasse 6. So wurde es jedenfalls von Kultusministerin Schopper im Rahmen der Debatte angekündigt, obwohl Ministerpräsident Kretschmann noch am Tag zuvor die G9-Einführung weiterhin an Bedingungen knüpfte und bei der konkreten Umstellung massiv bremste.
Hat er die Kröte G9 etwa noch gar nicht geschluckt, sondern lediglich an ihr geleckt? – das bleibt leider abzuwarten. Deshalb lassen wir (noch) nicht locker, auch wenn wir jetzt schon sehr stolz sein können auf das bisher Erreichte.
G9 jetzt BW! hat bewiesen, dass es möglich ist, mit viel Engagement und Ausdauer über die Instrumente der direkten Demokratie als unverrückbar geltende Dinge in Bewegung zu bringen – gab es im Koalitionsvertrag doch den Vorsatz, keine Debatten über die Schulstruktur zu führen. Aktuell passiert genau das und zudem befasst man sich mit dem wichtigen Thema Bildung insgesamt. Allerdings, so lange es sich nur um Absichtsbekundungen handelt, nutzt all die uns – auch von Seiten der Landesregierung – entgegengebrachte Anerkennung für diesen Erfolg denjenigen wenig, für die wir uns seit Jahren einsetzen.
Aufhören, wenn es am schönsten ist? Diesen Sommer endlich mal wieder im Baggersee schwimmen, anstatt vor dem Eingang zu stehen und Unterschriften zu sammeln? Alle Unterzeichner hatten so sehr gehofft, dass die Landesregierung mit der Ablehnung unseres Gesetzentwurfs wenigstens die Eckpunkte für ein zukünftiges G9-Konzept transparent macht. Oft genug wurden in den vergangenen Monaten von verschiedenen Seiten G9-Ideen entwickelt, die sich absolut nicht mit den Forderungen der Initiative vereinbaren ließen.
So können wir vom Baden im Baggersee im Moment leider nur träumen, da es noch viel zu viele Unsicherheiten gibt.
Die zahlreichen Mails und Nachrichten, die uns nach der Entscheidung des Plenums erreichen, bestätigen diese Sorgen. Schließlich habe man nicht für „die Katze im Sack“ unterschrieben. Viele Unterzeichner sind enttäuscht, dass sich ihr Engagement nicht für alle Kinder am Gymnasium auszahlen wird, da lediglich Schüler der jetzigen 3. Klasse oder jünger in den Genuss des neuen G9 kommen. Damit bleiben gerade jene außen vor, die besonders unter der Pandemie gelitten haben. Denn die ehemaligen Grundschüler aus Pandemiezeiten besuchen aktuell die Klassen 5 bis 8. Viele Gymnasiasten absolvieren nicht nur bis zu 36 Wochenstunden, sondern auch noch zusätzliche Aufholstunden im Rahmen des Rückenwind-Programms.
Wir Initiatorinnen des Volksantrags vertreten knapp 107 000 Unterzeichner. Das weitere Vorgehen von G9 jetzt! BW wird bestimmt von der Entschlossenheit der Unterstützer, den nächsten– nochmals aufwändigeren – Schritt des Volksbegehrens zu gehen, falls es in den kommenden Wochen kein akzeptables Konzept gibt. Die Möglichkeit hierfür werden wir zum jetzigen Zeitpunkt auf keinen Fall aufgeben. Ganz im Gegenteil treffen wir aktuell, im Austausch mit dem Innenministerium, die nötigen Vorbereitungen.
Es wird nun davon abhängen, ob die kommenden Treffen und Sitzungen bis Mitte Mai Klarheit bringen über das konkrete Konzept. Und ob Ministerpräsident Kretschmann und seine Landesregierung die Verbindlichkeit, das G9 zum Schuljahr 25/26 einzuführen, durch einen Kabinettsbeschluss bestätigen. Unverzichtbar und nur fair wäre dabei die Mitnahme der jetzigen Viertklässler, die dann im Schuljahr 25/26 die 6. Klasse besuchen werden, denn diese gut 40 000 Schüler säßen ansonsten mehr als sprichwörtlich „zwischen den Stühlen“. Übrigens hat Bayern es genau so vorgemacht.
Zudem fordert G9 jetzt! BW eine schülerorientierte Lösung zur zügigen Kompensierung der Coronafolgen in den laufenden Gymnasialklassen, mit dem Ziel einer soliden Studierfähigkeit – gegebenenfalls auch abweichend von der im Gesetzentwurf geforderten Umsetzung. Hierzu ist die Initiative mit Gymnasialleitern im Austausch, die bereits sehr kreative Ideen entwickelten.
Die nächsten Wochen werden also zeigen, ob die Landesregierung das Projekt G9 wirklich einhellig und entschlossen voranbringt und den Beteuerungen endlich Taten folgen lässt – anstatt es unter allen erdenklichen Gründen weiter zu verschleppen. Wir Initiatorinnen sind, innerhalb der Spielräume des uns von den Unterzeichnern übertragenen Mandats, kompromissbereit, benötigen jedoch eine verbindliche Lösung – und das auch für die jetzigen Schüler am Gymnasium. Ansonsten hätten wir gar keine andere Wahl, als ein Volksbegehren zu initiieren. Wir machen uns große Sorgen um unsere Kinder und Jugendlichen. Aber vor lauter „Kollateralschäden“, „Sogwirkungen“ und „Schülerstromlenkung“ scheint man diese leider mal wieder vollkommen aus dem Blick verloren zu haben.
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