Newsletter von G9 jetzt! BW vom 20.06.2024

Die beiden Initiatorinnen von G9 jetzt! BW gehen von Bord

Der Tanker liegt sicher im Hafen

G9 kommt! – im Schuljahr 25/26 für die dann Fünft- und Sechstklässler. Somit werden alle Schüler ab der heutigen vierten Klasse und jünger am allgemeinbildenden Gymnasium auch in BaWü endlich wieder in neun Jahren zum Abitur kommen. 

Die Mission – gestartet in einem kleinen Ruderboot – schien lange zum Scheitern verurteilt, aber dank der Unterstützung einer immer größer werdenden tatkräftigen Besatzung führte sie zu einem grandiosen Erfolg!

Dem Ziel „G9“ galt an vielen der vergangenen über 2500 Tagen dieser Reise bereits am Morgen unser erster und nachts unser letzter Gedanke, obwohl wir schon früh wussten, dass unsere eigenen Kinder leider nicht mehr von unserem Engagement profitieren würden.
Es war nicht einfach, sieben Jahre auf Kurs zu bleiben: Massiver Gegenwind, schwerer Seegang und kritische Strömungen mussten ausgehalten, einige Hindernisse umschifft, so manche schwere oder sogar einsame Entscheidung getroffen werden. Das hinterließ Spuren.

Jahrelang hatten unsere Repräsentanten in Stuttgart beim Thema G8/G9 gegen die Meinung der Betroffenen an der Basis regiert, ihnen war der Kompass abhandengekommen. Erst durch das direktdemokratische Instrument des Volksantrags sah sich die Landesregierung gezwungen, endlich zu handeln.
Und mehr noch: Die dringend notwendige Diskussion wurde sogar auf die Bildung als Ganzes ausgeweitet.
Es versöhnt uns – und es ist überdies wichtig für unsere Demokratie – zu sehen, dass sich die disziplinierten Mühen der vielen aktiven Bürger gelohnt haben.

Natürlich hätten wir gerne noch mehr für die Schüler erreicht:

Die laufenden Gymnasialklassen tragen weiterhin schwer an ihrem Coronarucksack. Ihr übervoller Wochenplan macht zusätzliche Aufholprogramme unzumutbar und nahezu unmöglich. Diese Schüler würden dringend ein Mehr an Zeit benötigen. Sie werden – trotz unseres Erfolges – ihre weiteren bis zu acht Jahre Schulzeit unter den bekannten Belastungen absolvieren müssen. Zahlreiche Eltern möchten darum den Kampf für diese Kinder weiterführen.

Da unser Tanker sein grundsätzliches Ziel erreicht hat und nun sicher im (ersten?) Hafen liegt, haben wir die Entscheidung getroffen, von Bord zu gehen und das Steuer einer neuen tatendurstigen Führungsmannschaft zu überlassen. Dieser wünschen wir – im Sinne unserer Kinder – viel Erfolg, Durchhaltevermögen und den nötigen Rückhalt aus der Bevölkerung. 
Die neue Mannschaft von G9 jetzt! BW ist weiterhin unter der Webseite www.g9-jetzt-bw.de und den bekannten Mailadressen zu erreichen. 

Wir sind stolz auf das Erreichte und dankbar, auf der Reise viele tolle Menschen kennen und schätzen gelernt zu haben.
Das Wohlergehen und die Bildung der Kinder und Jugendlichen liegen uns auch weiterhin sehr am Herzen. Gerne würden wir unsere Expertise und unsere Erfahrungen in die weiteren konkreten Planungen des kommenden G9 einbringen.

Es zeigt sich deutlich, dass die Unterrichtsausfälle und der fehlende Präsenzunterricht bei jenen Schülern, die während der Pandemie die Grundschule besuchten, zu großen Defiziten geführt haben, die immer noch nicht aufgeholt werden konnten. Auch viele der damaligen Unter- und Mittelstufenschüler erreichen aktuell nicht das Leistungsniveau der Vor-Corona-Jahrgänge. Dies hat unter Umständen weitreichende Folgen für ihren weiteren Lebensweg, aber auch für die Gesellschaft. Die Mehrzahl ihrer Mitschüler in den anderen Bundesländern haben und hatten in einem bereits rückeingeführten G9 mehr Zeit zur Kompensation.


Wir setzen große Hoffnungen in die begonnene Diskussion über Unter-
stützungsmöglichkeiten für die Coronajahrgänge am Gymnasium – außerhalb 
unseres Gesetzentwurfs. Hierzu wurden – im Austausch mit Schulleitern – bereits 
zahlreiche kreative Ideen entwickelt. 
Auch die Schüler der anderen Schularten könnten von den Maßnahmen profitieren – sie sollten in die Diskussion einbezogen werden. Wir wünschen sehr, dass der Gesprächsfaden mit dem Kultusministerium nicht abreißt.

Man kann es nicht oft genug betonen, gerät es doch immer wieder in Vergessenheit: Bei allen schulpolitischen Entscheidungen muss der Fokus stets auf dem Wohl der Kinder und Jugendlichen liegen. Gerade die aktuelle politische Situation macht es notwendig, ideologische Mauern einzureißen, Brücken zu bauen und Hände zu reichen, um Gespräche auf Augenhöhe zu führen, anstatt sich in politischen Grabenkämpfen zu verlieren.

Kinder brauchen eine starke Lobby!

Anja Plesch-Krubner und Corinna Fellner

Amtzell, Heidelberg, 20.06.2024